Pille und Fitness – Hemmt die Pille den Muskelaufbau?
Kann die Pille Auswirkungen auf den Muskelaufbau der Frau haben? Die Pille ist das beliebteste Verhütungsmittel in Deutschland. Neben der Verhütung sind Gründe für eine Einnahme vielfältig.
So können Zyklen regelmäßiger werden und Frauen mit extremen Regelbeschwerden von einer Linderung ihrer Symptome durch die Einnahme oraler Kontrazeptiva profitieren. Vor allem das Versprechen eines besseren Hautbilds mag besonders die jüngeren Patientinnen anlocken.
Dass die Einnahme hormoneller Verhütungspillen jedoch Konsequenzen für Sportlerinnen haben kann, ist vielen Hobbysportlerinnen noch weitestgehend unbekannt.
Überblick über den natürlichen weiblichen Zyklus
Während man von einer typischen Zykluslänge von etwa 28 Tagen spricht, ist die Zykluslänge von Frau zu Frau sehr unterschiedlich und kann durch äußere Umstände (z.B. Stress oder ein hohes Kaloriendefizit über einen längeren Zeitraum) beeinflusst werden. Grundsätzlich teilt sich der Zyklus in zwei Phasen auf: die follikuläre Phase und die luteale Phase.
Mit dem ersten Tag der Menstruation, bricht die erste Phase in Vorbereitung auf den nächsten Eisprung an. Während der Menstruation, die etwa 7 Tage andauert, fühlen sich einige Frauen schlapp, wohingegen andere sich kaum von den Blutungen beeinflusst fühlen.
Nach der Menstruation beginnt die follikuläre Phase. Hier bereitet sich der Körper jeden Monat auf eine potentielle Schwangerschaft vor. Das Hormon Östrogen löst dabei den Reifungsprozess eines Eis aus. In der zweiten Zykluswoche erleben Frauen häufig eine höhere Leistungsfähigkeit, was sich auf den Anstieg des Hormons Estradiol zurückführen lässt. Hier können hohe Trainingsreize gesetzt werden.
Kurz vor dem Eisprung erreicht der Östrogenspiegel seinen höchsten Wert – etwa ein Tag vor Beginn der nächsten Phase. Hier kommt es zu echten Leistungsspitzen, da Estradiol ebenfalls seinen Höchsttand erreicht hat. Estradiol fällt jedoch rasch wieder ab und stattdessen wird das Gelbkörperhormon Progesteron verstärkt produziert und die Energielevel beginnen abzusinken. Die Ovulationsphase hält etwa 3-5 Tage an.
In der darauffolgenden lutealen Phase entfaltet Progesteron seine Wirkung. Die Gebärmutterschleimhaut baut sich auf, in der sich die potentiell befruchtete Eizelle einnisten könnte. Hier setzt bei einigen Frauen das prämenstruelle Syndrom (PMS) ein: Wassereinlagerungen lassen die Zahl auf der Waage steigen, die Brüste sind sensibel, es kommt zu Verdauungsproblemen und Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Verstimmungen.
Sich sportlich zu betätigen, kostet hier besonders viel Überwindung. Außerdem kann hier durch das fehlende Estradiol das Verletzungsrisiko steigen, da dieses Hormon sonst besonders den Bänderapparat schützt. Diese Phase dauert etwa zwei Wochen, bis die Menstruation einsetzt.
„Die Pille“ und Kraftsport – gibt es negative Konsequenzen?
Zunächst einmal muss gesagt werden, dass es „die Pille“ nicht gibt. Heutzutage gibt es eine Vielzahl an Hormonpräparaten, wobei die gängigsten Pillen sich aus Östrogen und Gestagen zusammensetzen. Die Pille wirkt dann so, dass der Östrogenspiegel auf einem konstanten Level gehalten wird und es die natürlichen Schwankungen nicht gibt. Der Hypothalamus reagiert auf dieses Signal, dass die körpereigene Östrogenproduktion eingestellt werden kann. Somit bleibt auch der Eisprung aus und dem Körper wird eine Schwangerschaft vorgetäuscht.
Was heißt das für die Praxis?
Dass die zyklusbedingten Schwankungen der Hormone mit der Pille unterdrückt werden, kann für einige Sportarten als Vorteil gewertet werden: in der Trainingsplanung muss der unter Umständen starke Leistungseinbruch nicht berücksichtigt werden.
Besonders für Frauen im Kraftsport, ist es eine Überlegung wert, auf hormonfreie Varianten umzusteigen oder sich für lokal wirkende Hormonpräparate zu entscheiden. Frauen haben nämlich ohnehin schon einen geringen Testosteronspiegel.
Durch die Einnahme der Pille kann die Testosteronproduktion noch weiter sinken. Testosteron ist jedoch entscheidend für das Wachstum der Muskulatur und die Geschwindigkeit des Wachstums (1,2). Zusätzlich haben einige Studien eine erhöhte Cortisol Konzentration im Blut bei Frauen, die die Pille einnehmen gefunden. Das kann sich wiederum auf die Muskelregeneration negativ auswirken (3,4).
Grundsätzlich ist ein Training mit dem Ziel der Kraftsteigerung und eines Muskelaufbaus nicht gänzlich nutzlos, auch wenn eine orale hormonelle Verhütungsmethode gewählt wird. Viele Body Building Athletinnen lehnen eine Einnahme aus genannten Gründen ab, besonders wenn Wettkampf Ambitionen bestehen. Welche Verhütungsmethode am besten zu den eigenen Lebensumständen und sportlichen Ambitionen passt, muss man letztlich selbst entscheiden.
Referenzen
1. Konopka JA, Hsue LJ, Dragoo JL. Effect of Oral Contraceptives on Soft Tissue Injury Risk, Soft Tissue Laxity, and Muscle Strength: A Systematic Review of the Literature. Orthop J Sport Med [Internet]. 2019 Mar 22;7(3):2325967119831061–2325967119831061. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30923726
2. Lee CW, Newman MA, Riechman SE. Oral Contraceptive Use Impairs Muscle Gains in Young Women. FASEB J [Internet]. 2009 Apr 1;23(1_supplement):955.25-955.25. Available from: https://www.fasebj.org/doi/abs/10.1096/fasebj.23.1_supplement.955.25
3. Hertel J, König J, Homuth G, Van der Auwera S, Wittfeld K, Pietzner M, et al. Evidence for Stress-like Alterations in the HPA-Axis in Women Taking Oral Contraceptives. Sci Rep [Internet]. 2017;7(1):14111. Available from: https://doi.org/10.1038/s41598-017-13927-7
4. Nielsen SE, Segal SK, Worden I V, Yim IS, Cahill L. Hormonal contraception use alters stress responses and emotional memory. Biol Psychol [Internet]. 2012/11/03. 2013 Feb;92(2):257–66. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23131613
5. Lyle McDonald. (2017). The Woman’s Book Volume 1: A Guide to Nutrition, Fat Loss, and Muscle Gain. PDF available from https://store.bodyrecomposition.com/product/the-womens-book-vol1/.